Die Nordsee, ein Schelfmeer, ist Teil des Atlantischen Ozeans, liegt im nordwestlichen Europa und ist durchschnittlich etwa 90 Meter tief. Für die Unterwasserarchäologie birgt sie ein sehr hohes Potential: Dieses reicht von Überresten der Paläolandschaften, die Einblicke über die Lebensweisen steinzeitlicher Jäger- und Sammlerkulturen geben, bis hin zu mittelalterlichen und neuzeitlichen Schiffswracks (Warnke 2015, 43). Die Nordsee war Schauplatz diverser Seeschlachten; daher befinden sich dort unter anderem viele Schiffswracks des Ersten und Zweiten Weltkriegs. Während die Munition dieser Kriegsschiffe eine Bedrohung für die Umwelt darstellt, sind viele dieser Wrackfundstellen gleichzeitig Kriegsgräber, die es vor Plünderung zu schützen gilt (Huber u. Knepel 2015).
Das heutige Nordseebecken ist in Hoheitsgewässer und Ausschließliche Wirtschaftszonen (AWZ) Großbritanniens, Frankreichs, Belgiens, der Niederlande, Deutschlands, Dänemarks und Norwegens aufgeteilt. Das Seegefecht bei Helgoland fand westlich der Hochseeinsel Helgoland statt. Die Wracks der Kleinen Kreuzer MAINZ, CÖLN, ARIADNE und des Torpedoboots V 187 liegen demnach in der AWZ der deutschen Nordsee.
Dieses ungefähr 28 Quadratkilometer große Gebiet (entspricht 69,5 % der Meeresfläche der deutschen Nordsee) ist unterwasserarchäologisch bislang so gut wie nicht erschlossen. Aus denkmalpflegerischer Sicht ist die deutsche AWZ zudem Niemandsland, was daran liegt, dass die Zuständigkeiten der Landesdenkmalämter Niedersachsen, Hamburg und Schleswig-Holstein in der AWZ enden. Die drei an die Nordsee grenzenden Bundesländer sind von ihrer Küste aus gesehen nur bis zur sogenannten „12-Seemeilenzone“ zuständig. Zwar ist der Bund für diese Aufgabe in der deutschen AWZ verantwortlich, da es aber keine Bundesdenkmalbehörde gibt, hält er keine entsprechende Infrastruktur bereit (Warnke 2015, 38). Und auch die UNESCO-Konvention zum Schutz des kulturellen Erbes unter Wasser (Convention on the Protection oft the Underwater Cultural Heritage) von 2001 greift in der AZW nicht, da sie von Deutschland noch nicht ratifiziert wurde. Somit ist es nicht möglich, die Wracks des Seegefechts bei Helgoland (und jede andere archäologische Fundstelle in der AWZ) unter Denkmalschutz zu stellen oder durch die UNESCO-Konvention zu schützen.
Dabei ist das submarine Erbe in der Nordsee massiv bedroht. Die naturräumlichen Einflüsse wie Gezeitenströme und Sedimentbewegungen durch Gezeiten oder Wellen sind in der Nordsee weitaus stärker ausgeprägt als beispielsweise in der Ostsee. Die Erhaltungsbedingungen für Fundplätze und Objekte, die direkt auf dem Sediment liegen, sind schlecht. Ein hoher Salzgehalt von ca. 3 bis 3,5 % (zum Vergleich: Ostsee: ca. 0,8 %) und relativ hohe Durchschnittstemperaturen von etwa 10 Grad fördern die Vermehrung holzfressender Organismen wie der Schiffsbohrmuschel Teredo navalis.
Hinzu kommen diverse wirtschaftliche Faktoren wie Rohstoffgewinnung (Erdöl und Ergas), Umweltfaktoren wie Schleppnetzfischerei sowie die Einleitung von Schadstoffen und der Ausbau erneuerbarer Energien (Windparks), die alle großen Nutzungsdruck auf das Arbeitsgebiet aufbauen.
Nicht zuletzt gefährden auch Raubtaucher unterwasserarchäologische Fundstellen in immer stärkerem Ausmaß. Jüngst war das ganz deutlich an der mehrfachen Plünderung des Wracks der MAINZ in den Jahren 2011, 2015 und 2016 zu sehen.
Wie groß das unterwasserarchäologische Potential in der deutschen AWZ ist, zeigt die Datenbank des Bundesamtes für Seeschifffahrt und Hydrografie (BSH). Zu seinen zentralen Aufgaben gehören unter anderem Vermessung und Kartierung in Nord- und Ostsee sowie die Herausgabe amtlicher Seekarten. In der BSH-Datenbank sind ungefähr 2200 Positionen von unter Wasser liegenden Hindernissen (überwiegend Schiffswracks, aber auch moderne Container und große Steine) für die sichere Schifffahrt in der deutschen AWZ erfasst. Zuletzt ermittelte das Deutsche Schifffahrtsmuseum (DSM) im Rahmen des dreijährigen Pilotprojekts „Bedrohtes Bodenarchiv Nordsee“ das Potential ausgewählter Unterwasserfunde in der deutschen Nordsee und konnte unter anderem rund 800 Anomalien (davon 70% Schiffswracks) in eine archäologische Datenbank eingeben (Warnke 2014, 6–9; Warnke 2015, 37–46).